Laufanalyse bei Michael Levack

Man lernt nie aus, weder in meinem Beruf, noch in meinem Sport. Deshalb habe ich mich mit Michael Levack von der "Running and Movement School Austria" in Purgstall an der Erlauf zusammengesetzt und wir konnten wechselseitig unseren (messtechnisch unterschiedlichen) Ansatz der Laufanalyse aneinander testen, umsetzen und Erfahrungen austauschen. 

Michael arbeitet im Gegensatz zu mir mit einer Videoanalyse am Laufband, was für mich sehr ungewohnt ist, da ich bis zum Beginn der Pandemie 2020 nur zum Auf-/Abwärmen beim Krafttraining am Laufband war, seitdem aber so gut wie gar nicht mehr (weil ich selbst beim Training im Studio draußen ein- und auslaufe).
Nachdem ich selbst schon sehr viel über Lauftechnik und natürlich auch über meine "Checkliste" mit meinen individuellen Stärken und Schwächen weiß, konnte ich - glaube ich - trotzdem auch am Laufband meinen gewohnten Laufstil halbwegs repräsentativ umsetzen.
Im Studium haben wir viel mit optischer Bewegungsanalyse gearbeitet, also war das Markertracking bei der Videoaufnahme für mich keine neue Sache. Bei Michael ging es dann darum, kleine, kaum sichtbare Asymmetrien im Bewegungsablauf zwischen rechts und links aufzudecken und einfach noch das letzte Quäntchen Leistungsreserve für mich zu erschließen. Natürlich liegt der Fokus auch auf Verletzungsprophylaxe (mit Schmerzen und Trainingsunterbrechungen kann auch keine Leistungssteigerung erzielt werden), aber zumindest in meinem Fall war das jetzt schon Feintuning im kleinsten Bewegungsbereich.
Zusätzlich zur optischen Bewegungsanalyse gab es laufspezifische Beweglichkeitstests (ähnlich dem "Functional Movement Screening", aber mehr auf laufrelevante Parameter zugeschnitten) und einen Schnelligkeitstest hinsichtlich Ansteuerung der Fuß- und Beinbewegung über eine definierte Linie nach vor und zurück. Dabei wurde großes Augenmerk auf die Unterschiede zwischen rechter und linker Seite gelegt. Die Dominanz zwischen den und innerhalb der unterschiedlichen Muskelketten sollte sichtbar werden.

Ich kam mit dem Vorwissen, dass mein rechtes Bein das Kürzere, gleichzeitig aber auch das Stärkere ist, mein Sprungbein. Ich neige zum X-Bein in der Dynamik (anatomisch habe ich leichte O-Beine, aber in der Bewegung tendiere ich zum Einknicken nach innen). Im Krafttraining fokussiere ich mehr auf mein linkes Bein, um nach und nach symmetrischer zu werden.
Meine letzte Verletzung (Plantarfasziitis 2020) war allerdings rechts und das mag ein Mit- oder Hauptgrund für die für mich überraschenden Erkenntnisse aus Michaels Laufanalyse sein.
Aktuell kann ich nämlich meine linke Seite deutlich besser ansteuern. Meine etwas zu wenig in die Bewegungsausführung eingeschaltete Hüft(strecker)muskulatur funktioniert links immer noch besser als rechts und auch die Beinachse ist links tatsächlich stabiler. Damit hätte ich nicht gerechnet.
Im Schulterbereich war es genau umgekehrt - meine letzte Verletzung (Schlüsselbein und Schulterdach) war ebenso rechts und liegt nur zwei Monate zurück. Das Rehatraining ist gut gelaufen und der Fokus auf den lockeren Armschwung hat augenscheinlich so gut gefruchtet, dass nun der linke Arm etwas zu wenig locker pendelt und etwas zu weit abgespreizt ist. Das könnte meiner Erfahrung nach wieder die seitliche Hüftstabilität leicht negativ beeinflussen.
Ich sehe das als Erinnerung, in der Reha von Verletzungen nicht ausschließlich auf die ursprünglich eingeschränkte Seite zu fokussieren, sondern vor allem die Symmetrie in den Fokus zu rücken.
Meine Neigung zum Rundrücken zieht sich durch alle Sportarten und den Alltag und wird durch das viele Radfahren noch unterstützt. Das hat leichte Auswirkungen auf die Schulterbewegung beim Laufen. Wichtig ist also, dass ich im Kraft- und Mobilisationstraining intensiv an der Aufrichtung der Brustwirbelsäule arbeite, auch, wenn eine sichtbare Verbesserung schwierig ist - aber immerhin kann einer Verschlechterung vorgebeugt werden.

Die hintere Muskelkette, vor allem die Beinbeuger (Hamstrings), neigen beim (sitzenden) Menschen ja dazu, etwas abzuschwächen. Daraus entsteht eine Dominanz des vorderen Oberschenkelmuskels (Quadriceps). Bei mir ist das nur in geringem Ausmaß der Fall, aber eben doch. Zu einem gewissen Teil führe ich das auch auf das etwas zerpflückte Krafttraining im ganzen letzten Jahr zurück.
Auch die Gluteus-Muskulatur, vor allem aber der wichtigste Hüfstrecker Gluteus maximus, ist bei mir etwas zu wenig dominant. Es ist vor allem eine Sache der Koordination, also der frühen Ansteuerung, daran kann man gezielt im Kraft- und Lauftraining denken und damit daran arbeiten. Ich werde diesen Fokus auf die frühe Ansteuerung der Hüftstabilisation und -streckung zusätzlich zum Fokus auf die Beinachse in meine Programme einbauen.
Das sieht dann für mich so aus, dass ich bei meinen schon bisher absolvierten (Maximal-)Kraftübungen vor der Ausführung nochmal bewusst an die (frühe) Hüftstreckung denke - um schon eine gewisse Voraktivierung zu forcieren. Dasselbe kann ich bei Laufintervallen anwenden - laufe ich meine 400er auf der Bahn, so kann ich bei jedem Schritt dosiert steuern, ob ich meine Schrittlänge eher durch Hüft- oder Sprunggelenksstreckung erreiche und so das Verhältnis der Muskelaktivität etwas verschieben. Ich spiele also ein wenig mit den unterschiedlichen Parametern und versuche, einen für mich ökonomischen Laufstil zu finden, bzw. diesen weiterzuentwickeln.

Nachdem, wie bei vielen Läufern, auch bei mir oft die Waden das "Nadelöhr" im Training darstellen, also einfach am Ehesten die hohe Belastung anzeigen, kann dieser vermehrte Fokus auf die bisher leicht eingeschränkte/verspätete Hüftstreckung ein kleiner Schlüssel für die Entlastung der Waden darstellen. Beinstreckung entsteht ja in Hüfte, Knie und Sprunggelenk - wenn die Hüfte mehr macht, muss das Sprunggelenk weniger leisten. Der Vollständigkeit halber sei aber erwähnt, dass dennoch der Dämpfungsmechanismus des Fußes funktionieren muss und beim Laufen die gesamte Unterschenkelmuskulatur viel Arbeit zu leisten hat.

Hier liegt dann auch mehr mein Fokus bei der Laufanalyse. Michael hatte in der Vergangenheit auch viel mit (Fuß-)Verletzungen zu kämpfen, bringt aber barfuß eine tolle Fußfunktion mit. Beim laufpraktischen Teil (der ja bei mir immer outdoor stattfindet) konnte ich ihm auch die Augen öffnen, wieviel mehr und feiner er mit seiner Dämpfungsfunktion des Fußes agieren kann und muss, um verschleißarm und damit gesund laufen zu können.
Auch darf er beim lockeren Laufen weit energiesparender werden - es ist einfach ein Unterschied, ob ich eine optimale Lauftechnik für einen Elite-Marathonläufer mit Trainingsbereichen von 2:30-4:00min/km suche, für mich selbst mit 2:50-4:30min/km (wobei man ehrlicherweise sagen muss, dass man in Trabpausen und bergauf ja noch viel langsamer ist) oder jemand einen üblichen Tempobereich von 4:00-5:30min oder auch 6:00-8:00min/km mitbringt. Die Pendelbewegung des Fußes/Beins unterscheidet sich nicht nur je nach individuellen Körperproportionen, sondern auch maßgeblich je nach Laufgeschwindigkeit.

Bei Michael ist es wichtig, abseits des Laufens Übungen umzusetzen, welche zu einer Art "Neuprogrammierung" der nervalen Ansteuerung der Muskulatur führen. Ich selbst bringe sehr viel Vorwissen und sicherlich auch ein gewisses Maß an Geschick mit, um das gut in mein Training integrieren zu können. Fühlt sich jemand damit unsicherer, sind häufigere Kontrolltermine bei Michael bestimmt sinnvoll und wichtig.

Egal, mit welchen Methoden man eine Laufanalyse macht, am Ende entscheidet die eigene Konsequenz in der Umsetzung, ob sie erfolgreich war.
Man braucht eigenständig umsetzbare "Werkzeuge" (Bewegungsbilder, evtl. Übungen), die man auch in das ganz normale Laufprogramm gut integrieren kann und die auf lange Sicht helfen, den Bewegungablauf ökonomischer zu machen und das Verletzungsrisiko zu minimieren.

Mehr zu meiner Methode gibt's HIER.