Kontinuierliche Glukosemessung im (Hoch-)Leistungssport
Teil II - Sporternährung und eigene Erfahrungen
Beispiel: Frühstück vor dem samstäglichen Laufbahntraining - etwas zu knappes Timing
Wie sieht die ideale Ernährung vor dem Sport aus?
Die letzte Mahlzeit sollte idealerweise 1,5-2 Stunden davor eingenommen werden – denn so lange dauert es in der Regel, bis sich der Blutzucker wieder eingependelt hat (45-60min nach der Mahlzeit ist er erstmal in einem Tief – diese Zeitspannen können aber individuell variieren!).
Startet man mit einem gerade instabilen Zustand, plagt sich der Körper mit dem „Einstellen“ der korrekten Stoffwechsellage für den gewünschten Intensitätsbereich – also bei gerade noch nach einer Mahlzeit stärker ansteigendem Glukosespiegel oder im starken Abfall danach kann es bei der nachfolgenden Sporteinheit auch (trotz gefüllter Speicher) zu Versorgungsengpässen kommen. Die ausgeschütteten Hormone können dann nämlich nicht so fein dosiert werden, dass ein stabiles Gleichgewicht herrscht.
Das Frühstück ist bei mir allerdings manchmal zeitlich bedingt so knapp vorm Training, sodass ich direkt im Blutzuckerabfall starte (schlecht für die Leistung). Bei lockeren Einheiten merke ich davon jedoch nichts.
Tatsächlich aber hat mich der Sensor einmal davor gerettet, Radintervalle zu spät nach dem Essen und damit im (anhaltenden) Zuckertief zu starten – rechtzeitig noch ein Riegel davor und die Einheit war super.
Generell habe ich mit dem zweiten Training am Tag gern Probleme mit der Energiebereitstellung – weshalb ich schon gewisse Vorbehalte dagegen habe. Ich bin sicher, wenn ich das Thema im Auge behalte, kann ich die Qualität noch deutlich steigern. Einmal hat mich beim Laufen sogar eine Unterzuckerung erwischt – ich hab mich aufgrund des lockeren Tempos sogar gut gefühlt, aber der Folgetag war dafür furchtbar mühsam. Die kontinuierliche Messung hat sichtbar gemacht, was ansonsten nur zu Fragezeichen bei mir geführt hätte (denn die Gesamtkalorienmenge war über den Tag gesehen absolut ausreichend, nur das Timing suboptimal!)
Beispiel: Unterzuckerung in ROT während eines kurzen, lockeren Laufes
Theoretisch reguliert ein gesunder Körper beim Sport den Blutzuckerspiegel relativ unabhängig von Mahlzeiten selbst.
Der Blutzucker ist bei lockerer Trainingsintensität höher als in Ruhe (abhängig davon, auf welche Belastungsdauer man hauptsächlich hintrainiert - bei Ultraläufern springt unter Umständen fast nur die Fettverbrennung an und es gibt wenig Unterschied zum Level in Ruhe), aber jedenfalls auf einem niedrigeren Niveau als bei intensiverem Training, bei dem auch viel mehr schnelle Energie benötigt wird (und auch hier - die Mobiliserung der Glykogenspeicher ist abhängig davon, wie man trainiert!). Das Ganze funktioniert aber nur solange gut, wie die Speicher gut gefüllt sind oder unterwegs Nachschub kommt. Ansonsten geht es Richtung Unterzuckerung („Hungerast“) und wenn dann nicht sofort Kohlenhydrate zugeführt werden kommt es zu drastischem Leistungsabfall, starker Cortisolausschüttung und enorm verlängerter Regenerationszeit sowie Heißhunger danach und (wenn es häufig vorkommt) langfristiger Gewichtszunahme. Dies ist unbedingt zu vermeiden!
Viele Sportler starten Trainings schon mit einem niedrigen Blutzuckerspiegel und die letzte Mahlzeit ist zu lange her. Sind die Speicher nicht randvoll, ist der Körper dann chancenlos, gute Leistungen zu erbringen.
Ich esse während der Trainings tendenziell weniger als empfohlen (aber mit rund 150kcal/h bei längeren Ausdauereinheiten auf alle Fälle genug, um niemals zu hungern!). Damit scheint mein Körper hervorragend umgehen zu können – solange ich kalorientechnisch gut vorbereitet (!) in die Trainings gehe. Sinkt mein durchschnittlicher Blutzuckerspiegel über mehrere Tage leicht ab (was zu weniger gefüllten Speichern, beispielsweise in umfangreichen Trainingswochen führt), muss ich wirklich aufpassen und mir mehr Essen zu den Trainings mitnehmen. Was stoffwechseltechnisch/internistisch betrachtet günstig sein mag, ist für den Sportler stark leistungsminimierend. Das wäre, als ob man Fasten als sinnvolle Intervention für Athleten, die sich verbessern möchten, ansieht.
Für lockere Einheiten werden als Richtwert für die Glukose Werte um die 120mg/dl als „normal“ angesehen (damit komme ich gut hin), bei intensiven Einheiten kann das Richtung 150-180mg/dl und darüber hinaus gehen (das erreiche ich trotz leicht verfügbarer Kohlenhydrate nicht – eventuell ist hier eine Leistungsreserve zu sehen! So manch Marathonläufer läuft den Marathon mit 200mg/dl durch ...). Die höchsten Peaks hatte ich beim Laufbahntraining mit um die 160 – dabei aber kein echtes Plateau über die Belastungsdauer. Ich sollte meine Versorgung also jedenfalls überdenken.
Diese Werte sind natürlich auch individuell, aber man bekommt schon einen Überblick über die Größenordnung, in welcher sich normale Schwankungen befinden.
Damit der Körper da überhaupt hinkommt, ist eine Kombination aus gespeichertem Glykogen und Zufuhr unterwegs notwendig. In welchem Verhältnis diese beide Quellen stehen, hängt an der Menge der gespeicherten Energie (Speichergröße und –füllzustand) und Trainingsumsatz (wie viel Kalorien verbrauche ich über das gesamte Training – dies ist von Dauer, Intensität, Sportart und eigener Körperzusammensetzung abhängig, sowie von der Ökonomie des Fett- und Zuckerstoffwechsels).
Ich habe allerdings schön in den Blutzuckerkurven beobachten können, dass selbst kleinste Mengen Nachschub, wie 1-2 Schluck Iso, schon dazu führen, dass der Körper „lockerer“ mit den Reserven umgeht und mehr Energie aus den Speichern zur Verfügung stellt. Dies ist ein großer Vorteil für kürzere hochintensive Belastungen, kann aber zum Nachteil werden, wenn man länger unterwegs sein möchte und in Relation dazu zu wenig Kohlenhydrate nachfüllt.
Eine spannende Beobachtung konnte ich bei längeren Radfahrten um die 3h beobachten - das subjektive Belastungsgefühl korreliert invers (!) mit der eigentlichen Belastung. Kleine Tempoabschnitte zwischendurch lassen das Training für mich viel kurzweiliger und „einfacher“ erscheinen. Auch On-Offs (beispielsweise 10min lang 30sec hart + 30sec locker) fallen mir immer schon leichter als 10min Schwelle in einem ähnlichen Leistungsbereich. Das erscheint zunächst unlogisch, kommt der menschliche Körper doch eigentlich mit gleichmäßiger Belastung viel besser zurecht. Allerdings liegen bei variablen Belastungen auch meine Blutzuckerwerte etwas höher als bei gleichmäßiger Belastung – selbst wenn die Verpflegung ident ist! Es steht mehr Brennstoff zur Verfügung – sowohl für die Muskelzellen, als auch fürs Gehirn. Ich gehe davon aus, dass dies einen großen Unterschied für die Wahrnehmung ausmacht.
Dieser Mechanismus ist sehr wichtig zu verstehen – führt er nämlich bei manchen Sportlern zu ungewollten Belastungsspitzen (=in Relation mehr Kohlenhydratverbrauch und weniger Fettverbrennung) während eigentlich Grundlagentraining (zur Verbesserung der Ökonomie der Energiebereitstellung) geplant ist. Man ist also metabolisch in einem ganz anderen Bereich als gedacht unterwegs. Passiert das über lange Zeit, entstehen meist Probleme – eine instabile Form, fehlende Leistungsentwicklung oder Leistungsrückgang, Gewichtsprobleme. Die Grundlagenbasis fehlt dann.
Beispiel: 3h-Radeinheit mit Tempobelastungen, Start knapp nach dem Frühstück (1. Peak) und Ende vor dem Mittagessen (2. Peak)
Auch die Bedeutung des gewissenhaften Aufwärmens wird eindrücklich, wenn man sich die Glukosewerte ansieht. Neben der Tatsache, dass sonst die Verletzungsgefahr extrem steigt, ist das Aufwärmen essentiell für das „Einstellen“ der gewünschten Energieversorgung. Bei mir fällt praktisch bei jedem Training zu Beginn über 10-15min der Glukosewert deutlich ab – egal wann und was ich vorher gegessen hab. Der Körper verbraucht in der Zeit viel mehr Energie als in Ruhe und die Hormone, die für mehr Energie sorgen, müssen erst ausgeschüttet werden – das dauert etwas. Man sieht dann schön, dass sich der Blutzucker „erholt“ und je nach Belastungsbereich angepasst wird. Für intensive Belastungen wie Wettkämpfe ist es also auch essentiell, nicht nur locker aufzuwärmen – der Körper muss wissen, dass ab dem Startschuss viel mehr Energie gebraucht wird, als bei einem lockeren Grundlagentraining. Je kürzer und intensiver der Wettkampf, desto länger und intensiver (!) muss das Aufwärmen ausfallen, um in einem idealen Versorgungsbereich mit Energie zu landen. Diese Zeit muss man dem Körper schon geben. Ergänzend führt man kurz vor dem Start noch leicht verfügbare Energie in Form von Gels oder Iso zu, um den Körper dann wirklich bereit zu machen.
Wichtig beim Selbstversuch finde ich, dass man zunächst alles „wie immer“ macht. Nur so kann man etwaige „Problemzonen“ auch erst erkennen und Erkenntnisse für die Zukunft daraus gewinnen. Dann kann man natürlich schon auch etwas experimentieren und schauen, wie sich unterschiedliche Lebensmittel und unterschiedliche Abstände zum Training so auswirken.
Ich hab versucht, eine große Variation unterschiedlicher Gerichte zum Abendessen einzuplanen, um auch hier möglichst viele Daten zu sammeln. Allzu groß unterscheidet sich das aber ohnehin nicht von meinem üblichen Essverhalten – ich esse praktisch nie zwei Tage hintereinander das Gleiche als Hauptmahlzeit.
Spannend wäre natürlich gewesen, das Experiment "Nüchterntraining" noch aufzugreifen. Da ich allerdings mitten in einem intensiven Trainingblock vor einer für mich wichtigen Wettkampfperiode stand, wollte ich dieses doch hohe Risiko dann nicht eingehen.
Dasselbe gilt für Alkohol … zuletzt hab ich mir 2018 nach dem WM-Titel ein Glaserl gegönnt, das wollte ich jetzt in der wichtigen Trainingsphase keinesfalls testen.
Einen Fehler hab ich allerdings absichtlich provoziert, weil er arbeitsbedingt tatsächlich öfters bei mir vorkommt – ich bin zu spät nach dem Frühstück ins (Kraft-)Training gestartet, nämlich erst nach drei Stunden. Schon beim Aufwärmen war ich minimal hungrig und habe dennoch (absichtlich) bis zum Schluss keine Kalorien zugeführt. Subjektiv war es nervig, leicht hungrig zu sein, aber Leistungseinbruch gab es keinen. Ich vermute, dass die Speicher ausreichend gefüllt waren, um keine (Leistungs-)Probleme zu bekommen.
Wie riskant das aber ist, musste ich beim nächsten Krafttraining erleben. Hier war das Timing etwas besser, aber auch hier war ich am Schluss dann plötzlich sehr hungrig. Trotz ausgiebigem Mittagessen danach hat mich der Energiemangel am Nachmittag so beschäftigt, dass es zu einem leichten Unterzucker bei einer kurzen, eigentlich leichten Laufeinheit gekommen ist und das Bahntraining am Folgetag war dann leistungstechnisch zum Vergessen.
Es kann also sein, dass der Körper temporär durchaus gut kompensieren kann, aber die Regeneration dann deutlich verzögert ist und ein späteres Training dadurch in Mitleidenschaft gezogen wird. Diese Experimente kann ich also keinesfalls empfehlen.
Was ich mir jedenfalls fest vorgenommen habe, ist, vermehrt lockere Einheiten mit Kalorien über nicht so leicht verfügbare Quellen (beispielsweise Nüsse) zu absolvieren. Für die wettkampffernere Zeit erhoffe ich mir einen etwas geglätteteren Blutzuckerspiegel über den Tag und ein besseres Ansprechen des Fettstoffwechsels.
Mein Erstversuch (in der wettkampfnahen Zeit) war nicht so toll. Nach 1,5 Wochen Umfangblock mit um die 18 Trainingsstunden pro Woche waren die Speicher schon eher leerer und trotz ordentlichem Kaloriennachschub bei einer 3h-Einheit mit 20km Laufen zu Beginn habe ich mich dann am Rad eher kraftlos gefühlt. Hier muss man weiter experimentieren, ob es einfach Gewöhnungssache ist, mit dem Füllzustand der Speicher korreliert („Fett verbrennt im Feuer der Kohlenhydrate“) oder für einen selbst einfach nicht so gut passt.
Hier macht es eben auch Sinn, im Jahresrhythmus unterschiedliche Schwerpunkte zu setzen. Kämpft jemand eher mit einer schwachen Fettverbrennung, so kann diese durch einen geringeren Füllzustand der Glykogenspeicher und verminderte Blutzuckerspitzen durch und eine nicht zu kohlenhydratreiche Sport- und Alltagsernährung verbessert werden („Low-Carb-Training“). Man muss aber genau im Blick haben, ob man dies psychisch noch gut wegsteckt und ob auch die Leistungen im intensiveren Bereich nicht zu stark einbrechen. Hier sind dann Mischformen sinnvoll, also gezieltes Carboloading vor intensiveren Einheiten und leicht verfügbare Kohlenhydrate währenddessen, dafür vor und bei Grundlageneinheiten eher fettreiche Lebensmittel mit komplexen Kohlenhydraten zu nutzen. In der wettkampfnahen Zeit profitiert man dann idealerweise von einer besseren Fettoxidation, während wieder vermehrt auch kohlenhydratreichere Sport- und Alltagsernährung gesetzt werden kann („High-Carb-Training“).
Ob eine gute Fettverbrennung wichtig ist, hängt auch von der Disziplin ab. Je länger die Belastung, desto größer wird ihre Bedeutung. Gute Läufer kommen bis zur Halbmarathondistanz meist mit dem Ansatz der gut gefüllten Kohlenhydratspeicher und ausreichend Zufuhr während des Rennens aus, während Marathonläufer dann schon sehr auf einen ökonomisch laufenden stark ausgeprägten Fettstoffwechsel angewiesen sind.
Die individuellen Stärken und Schwächen und auch „metabolischen Stolperfallen“ muss man sich für jeden einzeln ansehen.