Ernährung generell und im Speziellen für Athleten

Teil V – Eiweißversorgung mit „false friends“

Warum auch immer – zum Thema Eiweißversorgung gibt es einen Haufen Mythen. Diese reichen von „Eiweiß macht die Nieren kaputt“ (in den empfohlenen Dosen nicht, das ist auch gut untersucht. Nieren leiden aber sehr unter wiederholter Dehydration, da sie – unter anderem auch zum Abbau von Abfallprodukten der Eiweißverstoffwechselung – viel Wasser zum „Verdünnen“ brauchen!) über „wir essen eh alle genug Eiweiß“ (im Durchschnitt (!) in Europa aktuell ja, aber mit extremer Standardabweichung je nachdem, ob Vegetarier, Veganer, Flexitarier oder 3mal-am-Tag-Wurst-Esser) bis zu „Milchprodukte sind gute Eiweißquellen“ (kommt sehr (!) darauf an).

Ich war erstaunt, wie schlecht das Verhältnis aus Kalorien zu Eiweiß beispielsweise bei Frischkäse aussieht:
•  Frischkäse (Doppelrahmstufe) 252kcal/4,5g Eiweiß (zum Vergleich Vollmilch 65kcal/3g Eiweiß)
Auch Joghurts sind oft nicht besser:
•  Joghurtdessert Rahmjoghurt „Zurück zum Ursprung“ 160kcal/2,3g Eiweiß
Die unter Veganern beliebte Eiweißquelle „Nüsse“ ist zwar durchaus gesund, aber als Eiweißquelle eher unbrauchbar:
•  Walnüsse 674kcal/14,4g Eiweiß (tatsächlich noch weniger, siehe Erklärung weiter unten)

Diskutieren kann man über „High Protein Produkte“, besonders wenn sie mit Süßstoffen/Zuckeraustauschstoffen gesüßt sind (gilt auch für Proteinpulver). Das Problem an Süßstoffen ist, dass sie bei vielen Menschen den „Hunger“ auf (leicht verfügbare) Kohlenhydrate nicht befriedigen. Das Gehirn (und auch das Verdauungssystem) denkt, jetzt kommt gleich viel Energie, diese Erwartung wird allerdings enttäuscht, da die proteinreichen und KH-armen Lebensmittel keine schnelle Verstoffwechselung ermöglichen. Dies kann regelrechte „Cravings“ zur Folge haben – also extremen Heißhunger auf Zucker. Deshalb führt bei vielen auch der Konsum von mit Süßstoffen gesüßten Softdrinks zu einer insgesamt höheren (!) Zuckerzufuhr, oft auch weit über den Kalorienbedarf hinaus.
Generell kann man aber sagen, dass dieses Thema mehr als umstritten und von unterschiedlichen Interessensgruppen auch ganz unterschiedlich kommuniziert wird. Unser Stoffwechsel ist so komplex und noch dazu von Mensch zu Mensch leicht unterschiedlich, dazu kommen mentale Aspekte, Gewohnheiten … sodass man aktuell dazu nur sagen kann „mehr Forschung ist zu diesem Thema nötig“. Insofern kann ich an die Selbstbeobachtung („was tut mir gut“) appellieren und ich für mich habe entschieden, aus vielerlei Gründen (fehlende Befriedigung der Lust auf Süßes, der „unnatürliche“ Geschmack an sich – selbst bei Stevia, dann noch die abführende Wirkung (besonders beim Sport!), teils widersprüchliche Studien zum Thema Toxizität, Hitzebeständigkeit (Backen mit Süßstoffen!), Einfluss auf das Darmmikrobiom, Insulinresistenz usw.) Süßstoffen aus dem Weg zu gehen.
Anstatt teuer vermarkteter "High Protein Produkte" mache ich mir lieber die Topfencreme selbst – nach Belieben gemischt aus Magertopfen und normalem Topfen, ein Ei dazu und Zucker nach Geschmack. Das befriedigt sowohl die Lust auf (echtes!) Süßes, als auch die Notwendigkeit einer ausreichenden Eiweißzufuhr.
Einen Riesenunterschied kann es auch machen, ob man Aufstriche wie beispielsweise Liptauer selbst macht. Jener von „Zurück zum Ursprung“ hat lächerliche 6,2g Eiweiß bei 229kcal / 100g – schnell selbst zusammengerührt auf der Basis von Topfen kommt man nahe an die reinen Nährstoffe von (Mager-)Topfen heran (ich mische wie bei der Topfencreme Mager- mit normalem Topfen 1:1, macht im Mittel 12g Eiweiß auf 86kcal, gebe einen Schuss Olivenöl für die Konsistenz dazu, würze mit Gurkerl, Zwiebel, etwas Salz, Zucker, Pfeffer oder Chili, Kümmel und natürlich Paprikapulver). Extrem billig, schmeckt super, dauert keine 5min und reicht für einige Tage. Auf dieser Basis kann man natürlich auch mit anderen Geschmacksvariationen experimentieren - Kürbiskernöl, gemahlene Nüsse, Kräuter, ...

Nach dem letzten Ernährungsartikel von mir wurde ich auch noch darauf aufmerksam gemacht, dass der Eiweißgehalt von Lebensmitteln durchaus „kreativ“ berechnet wird. Inwieweit das bei der eigenen Ernährungsmethode ins Gewicht fällt, muss man selbst abschätzen.
Jedenfalls gibt die EU-Lebensmittelverordnung vor, dass für die Deklarierung des Eiweißgehaltes in Lebensmitteln der Stickstoffgehalt heranzuziehen ist und ein fixer Faktor (6,25) für die Berechnung verwendet werden muss.
Dies funktioniert für tierische Eiweißquellen ziemlich gut, für Pflanzliche schwankt dies teils deutlich!
Die entsprechende Studie bezüglich korrekter Berechnung ist keineswegs neu (nämlich aus 1931 (!), leicht überarbeitet 1941) und beim „U.S. Department of Agriculture“ zu finden: https://www.ars.usda.gov/ARSUserFiles/80400525/Data/Classics/cir183.pdf
Die folgenden Tabellen daraus zeigen einen guten Überblick für alle, die es ganz genau wissen wollen.
Kürzer zusammengefasst, lässt sich der reale Eiweißgehalt, der auf Lebensmitteln in der EU angegeben ist, mit folgenden Faktoren berechnen:
•  Fleischprodukte, Eier und auch viele Hülsenfrüchte: Faktor 1
•  Ausnahme ist die Gelatine: Faktor 0,888 (5,55/6,25), also -11% weniger als angegeben
•  Milchprodukte: Faktor 1,0208 (6,38/6,25), +2,1% mehr als angegeben
•  Getreide: Faktor 0,928 (5,8/6,25), knappe 7% weniger als angegeben
•  Soja: Faktor 0,912 (5,7/6,25), immerhin knappe 8% weniger als angegeben
•  Ölsaaten und Nüsse: Faktor 0,848 (5,3/6,25), hier sind wir schon bei -15%
•  Pilze: Faktor 0,6672 (4,17/6,25), hier ist der Unterschied mit -33% am Größten, in der Praxis fällt dies weniger ins Gewicht, da man ohnehin relativ wenig Eiweiß über Pilze überhaupt zu sich nimmt
Auch hier zeigt sich, dass man bei pflanzenlastiger Ernährung einmal mehr aufs Eiweiß achten muss, weil größere Anteile der Versorgung aus „überdeklarierten“ Quellen kommen (Soja, aber auch Ölsaaten, Nüsse). 

Der Fleischkonsum geht laufend zurück, aber nicht für alle Bevölkerungsgruppen gleichmäßig. Wenn man jetzt noch die Aussage aus der (meiner) Kindheit in Erinnerung hat, dass wir alle völlig ausreichend mit Eiweiß versorgt sind, dann kommt es wirklich darauf an. Manche futtern sich mit einem Zuviel krank (weniger wegen des Eiweiß an sich, aber die negativen Begleiterscheinungen von viel stark verarbeiteten Fleischprodukten sind gut belegt …), andere („Flexitarier“, Vegetarier/Veganer) müssen da schon ein Auge darauf haben. Deutlich wird das, wenn man sich Ersatzprodukte ansieht.

Bei Eiern ist es so, dass diese oft einfach weggelassen werden – viele Teigvariationen funktionieren auch ohne Ei problemlos. Hier wird das Volumen dann einfach durch Mehl aufgefüllt – der Anteil an leicht verdaulichen Kohlenhydraten steigt, der Eiweißgehalt sinkt deutlich. Besser wäre es, mit proteinreichen Quellen zu arbeiten, pflanzliches Proteinpulver, Sojamehl, …

Viele (nicht alle) Milchprodukte sind eine gute Eiweißquelle. Ersetzt man Kuhmilch durch pflanzliche Milch, sinkt der Eiweißgehalt meist drastisch. Geht es nur um einen Schluck im Kaffee, ist der Unterschied egal. Ich trinke aber oft 0,5-1l Milch übern Tag verteilt und da macht das schon was aus. Den Zuckergehalt müsste man genau genommen vergleichbar halten (gänzlich ungezuckerte Pflanzenmilch kriegt doch keiner runter, oder?)
Angaben pro 100g:
•  Vollmilch 65kcal/3g Eiweiß (4,7g KH)
•  Sojadrink natur 38kcal/3,2g Eiweiß (1,8g KH) – im Vergleich mit Vollmilch top, selbst wenn man noch den Umrechnungsfaktor 0,912 mit einbezieht, bleiben 2,9g Eiweiß im Vergleich zur Vollmilch mit Umrechnungsfaktor 1,0208, welcher dann gerundet 3,1g Eiweiß ergibt
•  Bei Hafermilch siehts schon ganz anders aus – 40kcal/0,6g Eiweiß (6g KH) – hier gibt es überall markenabhängige Variationen, wie viel Zucker ist mit dabei, wie viel Kalorien ergeben sich daraus. Aber der Eiweißgehalt bei Hafermilch geht fast gegen null (hier kann man sich dann auch das Umrechnen sparen …)

Fleischersatz gegenüber bin ich prinzipiell positiv eingestellt, weil ich viele Sachen einfach gern mag (und gar nicht direkt als „Fleischersatz“ wahrnehme, sondern einfach als „normale“ Zutat nutze – wie beispielsweise Tofu oder Seitan). Wurst mochte ich überhaupt noch nie, insofern hab ich eher das Problem, dass manche Ersatzprodukte für mich schon viel zu sehr nach dem Original schmecken. Die ersten Soja-Frankfurter, die ich als Kind gegessen hab, waren noch super, heute mag ich die nicht mehr ...
Beispiele:
•  Dennree Veganer Aufschnitt: 222kcal/ 29g Eiweiß (Weizenbasis, also kein vollwertiges Aminosäurenprofil, umgerechnet mit Faktor 0,928 immer noch 26,9g Eiweiß)
•  Normale Extrawurst kommt auf vergleichsweise mickrige 10g Eiweiß auf 225kcal (mit vollwertigem Aminosäurenprofil)

Gänzlich anders sieht es beim Käseersatz aus:
•  Veganer Gouda ist (nicht nur geschmacklich) eher ein Drama – 0,3g Eiweiß auf 272kcal – das Produkt besteht aus Fett und modifizierter Stärke, auch hier kann man sich das Umrechnen gleich sparen
•  Echter Gouda hingegen liefert 22g Eiweiß auf 364kcal, in der fettreduzierten Variante 28g Eiweiß auf 269kcal

Allein wenn man sich die Makronährstoffe ansieht, so sind manche Ersatzprodukte leider wirklich absolut nicht zu empfehlen. Ist man sich dessen bewusst und kompensiert es an anderer Stelle, gilt wie immer "die Dosis macht das Gift".
Überhaupt wird man zu vielen Nahrungsmitteln eine Studie finden, die sich damit sehr kritisch auseinandersetzt. Im Übermaß ist nichts gesund und eine vielfältige Auswahl an Lebensmitteln bringt auch "Risikostreuung" mit sich.

Abschließend noch die Frage - braucht es Proteinpulver?
Das kommt ganz darauf an, wie es mit Bedarf und Zufuhr von Eiweiß ohne Ergänzung aussieht und ob man mit kleinen Änderungen im Speiseplan auch anders an genug Proteine kommt (beispielsweise, indem man bei vielen Speisen den Ei-Anteil erhöht).
Ich finde aber, Essen soll in erster Linie schmecken und jeder muss eine Ernährungsvariante finden, die auf lange Zeit (!) erfüllend und auch praktikabel ist. Alles andere macht wenig Sinn.
Wenn man jetzt beispielsweise aufgrund von häufigem Essen auswärts, pflanzenlastiger Ernährung oder einfach persönlichen Präferenzen die nötige Eiweißzufuhr nicht schafft, so macht eine Ergänzung mit Proteinpulver sicher Sinn. Das muss auch gar nicht in Form von Shakes sein, man kann auch etwas davon ins Müsli oder in unterschiedliche Teige beim Kochen und Backen mischen - dann schafft man es auch, die für Sportler empfohlene Menge von 1,5-2g Eiweiß/Tag/kg Körpergewicht zu erreichen (Beispielsweise bei 70kg Körpergewicht 105-140g Eiweiß am Tag abhängig von der Trainingsintensität).
Ich selbst bin beim Bio-Molkenprotein von nadura hängengeblieben (schmeckt einfach wie Milchpulver, alternativ dazu das Pendant von edubily ohne zusätzliche Süße), habe aber auch das vegane Protein von edubily probiert. Geschmacklich gefällt mir das Molkenprotein besser, aber wer es lieber pflanzlich mag, spart gegenüber dem tierischen Produkt Geld und hilft der Umwelt und Tierwelt.

Ergänzung: Es gibt viele gute Hersteller (und auch einen Haufen Schlechte ...), ich hab mich für einige der laborgetesteten Produkte der Kölner Liste von EDUBILY (Affiliate-Link) entschieden. Ich erhalte kein Sponsoring, wer aber möchte, kann mit dem Rabattcode SANDRINAILLES5 bei der Bestellung 5% sparen.

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