Training in der Corona-Zeit
Im Rückblick war dann doch alles irgendwie gar nicht so schlimm - aber ich muss schon zugeben, dass mich der Lockdown nur eine halbe Woche nach unserer Rückkehr aus Spanien (Reise zur Duathlon-EM, meinem ersten und wohl auch irgendwie einzig richtigen Saisonhöhepunkt 2020 ...) ganz schön geschockt hat.
Meine Wettkampfplanung stand bereits, meine Laufform kam nach ewig vielen Problemen mit Waden und Fersen und vielen Rennabsagen seit dem Sommer 2019 endlich wieder zurück und ich war super motiviert, am Sonntag bei den Crosslauf Staatsmeisterschaften um eine Goldmedaille zu kämpfen.
Daraus wurde dann bekannterweise ja nichts. Man wusste zu diesem Zeitpunkt noch wenig über das Gefahrenpotenzial und die Verbreitungswege des Virus und hatte vor allem Italien als schockierendes Beispiel vor Augen. Spanien und Frankreich, beides Länder, in denen ich viele Duathlonkollegen habe und mit denen ich noch wenige Tage zuvor lustig zusammengesessen bin, sollte es ähnlich schlimm treffen.
Im Endeffekt war mein Training hier in Österreich aber nur wenig eingeschränkt. Die Krafträume und Laufbahnen sperrten zu, ansonsten konnte ich aber alle meine Trainingsstrecken ungestört weiter nutzen. Für das Krafttraining habe ich mir dann eine Langhantel geliehen - das war erstaunlich effektiv, wie ich inzwischen nach der Wiederöffnung der Studios anhand des nur geringen Kraftabfalls bemerken konnte. Die Schließung des Happyland Klosterneuburg traf mich weitaus härter, denn ich musste nun meine Laufintervalle ungewohnterweise von einer Woche auf die andere auf der Straße laufen - und das hat dann zu einer Entzündung der Plantarfaszie geführt. Leider konnte ich zu meiner Physiotherapeutin Kati Straka auch erst anderthalb Monate später und so wurde aus dem Lockdown ein Radtrainingslager für mich ...
Wenn man nicht laufen kann, geht wenigstens am Rad so richtig viel weiter und so konnte ich in diesem Frühjahr einige für mich wirklich sehr starke Trainingsleistungen erbringen. Leider fehlten die Rennen zur Überprüfung, denn da geht bei mir noch einmal deutlich mehr ...
Die höhere Gesamtbelastung am Rad kann man gut mittels "Golden Cheetah" Software erkennen (obwohl ich zur Berechnung ab April sogar eine um 10W höhere Stundenschwelle herangezogen habe, als das in den stärksten Monaten der beiden Vorjahre der Fall war):
Ab Mai konnte ich dann Dank Physio sukzessive mein Lauftraining wieder aufnehmen und merkte rasch, wie herausfordernd es für mich ist, gleichzeitig mein Leistungslevel am Rad einigermaßen zu erhalten. Aber es hilft nicht, Duathlon ist und bleibt lauflastig, ich muss wieder so rasch wie möglich zu meiner alten Laufform zurückfinden und diese vielleicht sogar ausbauen, um international konkurrenzfähig zu sein. Was ich am Rad um 10W mehr hab, bin ich derzeit bei Tempoläufen um 5-10sec/km langsamer ... :(
International ... wird das Jahr 2020 wohl nicht besonders. Leider wurde auch der Duathlon-WM-Kalender durcheinandergewürfelt - 2021 wird die WM in Almere/NED ausgetragen, 2020 entfällt sie. Das beschert mir den inzwischen mehrjährigen Erhalt des ersten Platzes in der Duathlon-Weltrangliste, aber viel lieber wäre mir ein zweiter Saisonhöhepunkt im Spätsommer gewesen ...
Finanziell ist das Jahr natürlich auch ein wenig mühsamer, machen doch die Preisgelder rund ein Drittel meines Jahreseinkommens aus. Aber damit müssen wohl viele kämpfen und ich habe ja auch das große Glück, dass ich zusätzlich zum Sport auch noch LAUFanalysen anbiete, eine Trainingsgruppe habe und mein Buch DUATHLON hat dem einen oder anderen sicher auch gut durch den Lockdown gebracht.
Inzwischen kann ich ja auch meine Kunden wieder persönlich betreuen, die Sportstätten nutzen und mich entsprechend auf die verbleibenden Wettkämpfe in diesem Jahr vorbereiten.
Rückblickend war das Schwierigste für mich, dass man nicht wusste, wie lang das alles dauert, ob die Einschränkungen auch in Österreich drastischer werden (mit Schrecken habe ich mitbekommen, dass meine Duathlon-Kolleginnen in manchen Ländern gar nicht mehr vor die Türe durften :( ) und dass man als Sportler halt auf einmal irgendwie so gar nicht mehr "wertvoll" war. Sport ist ein Luxusgut, man betreibt ihn, wenn alle wichtigen Bedürfnisse im Leben gestillt sind - man sieht das nicht zuletzt wenn man nach Afrika reist und dort erzählt, dass es bei uns in der westlichen Welt sowas wie "Gesundheitssport" gibt. In Kenia etwa ist man Läufer von Beruf, will damit seinen Lebensunterhalt verdienen, oder man ist kein Läufer (sondern läuft maximal zu Fortbewegungszwecken). Glücklicherweise haben aber gerade bei uns viele Menschen erst durch den Lockdown zum Sport, konkret sehr viele zum Laufen gefunden. Manche hatten deutlich mehr Zeit für Bewegung und vielleicht verschieben sich auch in Zukunft beim einen oder anderen die Prioritäten ein wenig - dafür muss natürlich das existenzielle Überleben gesichert sein. Aber ausreichend Schlaf, eventuell weniger Zeit für Pendelfahrten bei (teilweiser) Nutzung von Home Office, freiere Zeiteinteilung und eben ein gewisses Bewusstsein für die Wichtigkeit von Sport als Ausgleich helfen schon sehr. Leider stehen auf der anderen Seite die Beispiele derer, die vor lauter Mehrarbeit und Kinderbetreuung "nebenbei" nicht wussten, wie sie das alles in 24h unterbringen sollen.
Ich freue mich, dass der Wunsch nach Wettkämpfen zumindest in meiner "Sportlerblase" rasch wieder merkbar war. Es ist vielleicht kein absolutes Grundbedürfnis, aber etwas, das viele sehr vermissen, wenn man es nicht mehr machen kann. Ich hatte zunächst auch die Befürchtung, mich zum Training nicht ausreichend motivieren zu können, wenn ich einerseits alles alleine machen muss, andererseits überhaupt keine Wettkampfziele konkret sind.
Andererseits - ich habe mich immer schon für weit entfernte Bewerbe vorbereitet. Nach der WM ist vor der WM ... und ob die jetzt in 6 oder in 18 Monaten ist, ist dann auch schon fast nebensächlich. Kleinere Aufbauwettkämpfe wird es schon früher geben.
So habe ich mich ein wenig mit Bestzeiten auf meinen Haus-Bergstrecken begnügt. Das ist auch kein schlechter Gradmesser und setzt neue Trainingsreize. Generell habe ich viel ausprobiert, wann, wenn nicht in diesem Frühjahr war Zeit dafür. Das tut auch dem Kopf gut. Das Training hat größtenteils Spaß gemacht und mich motiviert.
Ein paar Zahlen zum Vergleich - Training 2019 KW 10-25 (für die Duathlon-EM) vs. 2020 KW 12-27 ("Corona-Zeit"):
2019 | 2020 | ||
Laufen | 107:09h | 81:04h | -24,3% |
Distanz | 1356km | 969km | -28,5% |
I-KM (<3:30min/km) | 199km | 90km | -54,7% |
T-KM (<4:00min/km), exklusive I-KM | 135km | 33km | -75,6% |
Rad | 143:53h | 184:29h | +28,2% |
Rad-Intensität (Stundenschwelle und darüber) | 715min | 592min | -17,2% |
Kraft (in diesem Jahr lockdown-bedingt teilweise subMaxKraft) | 19:30h | 26:30h | +35,9% |
Gesamt | 270:32h | 292:03h | +8,0% |
Man sieht natürlich, dass die sich die Verletzung stark aufs Lauftraining ausgewirkt hat. Inzwischen habe ich wieder Spitzenwochen mit 80-90km und möchte das über den Sommer hoffentlich auch auf 100km+ steigern. Bahnprogramme mit 10 000m Intensitätsdistanz waren ebenso dabei, wie 7km Tempo am Ende eines 20km-Laufes.
Generell habe ich aber beim Laufen, genauso wie am Rad, auf kürzere, dafür intensivere Programme gesetzt, da auch die ersten Bewerbe eher kürzer ausfallen werden und die Grundschnelligkeit sehr wichtig ist - beziehungsweise wusste man ja auch lange Zeit gar nicht, ob 2020 überhaupt (!) noch Rennen stattfinden werden. Der Fokus lag also generell schon eher auf der Basisarbeit.
Am Rad war der Umfang leicht höher als im Vergleichszeitraum des Vorjahres, die Intensitätsminuten wegen ausgefallener Wettkämpfe und eben der kürzeren Programme leicht geringer. Dennoch zeigt sich in den Leistungswerten eine deutliche Steigerung zu 2019, mein Grundtempo ist besser, meine Einteilung passt meistens und auch, wenn ich noch kein volles Powerprofiling dieses Jahr gemacht habe (Maximaltests von 5sec Sprint bis 20min Dauerleistung), so konnte ich bereits mit 4,5W/km über 20min leicht ansteigend bergauf am Auflieger meines Zeitfahrrades eine neue Trainingsbestleistung erreichen. Meine maximale Stundenleistung im Renneinsatz mit guter Erholung davor wäre wahrscheinlich ähnlich hoch und damit kann ich mehr als zufrieden sein.
Von meiner Laufleistung erwarte ich aktuell noch nicht ganz soviel, da war im Grunde das gesamte letzte Jahr seit der Duathlon-EM 2019 durchwachsen - mit nur kurzen besseren Trainingsphasen. Man sieht es ja auch an der Statistik, wie wenig vor allem an Tempo- und ganz schnellen Intervall-KM erst möglich war, auch der Umfang hat deutlich gelitten. Aber die Kraft in den Beinen kommt langsam zurück - wieviel noch fehlt, werden die ersten Rennen zeigen, auf welche ich mich SEHR freue!
Wettkampfpläne werden laufend hier aktualisiert.